In der Schule esse ich mein geliebtes warmes Sandwich mit Schinken und geschmolzenem Käse und versuche mir die Zeit bestmöglich mit Zeichnen und Schreiben rumzukriegen. Das einzig Blöde daran ist, dass ich mit der Gabe des Zeichnens verschont wurde und ich deswegen auf undefinierbare Muster umgestiegen bin. Die kann man wenigstens nicht kritisieren.Trotz dieser menschlichen Probleme, geht die Schule schon irgendwann vorbei, wir essen und danach startet die Siesta, an die ich mich immer noch nicht wirklich gewöhnt habe und was ich wohl auch nicht mehr werde :D.
Morgen muss ich einen PowerPoint-Vortrag über mein Leben und Deutschland vor der argentinischen Elite des Rotary Clubs halten und ich bin wirklich aufgeregt. Einerseits denke ich mir zwar, dass ich die nie wieder sehen werde und hier eh alle ziemlich locker sind, aber einen guten Eindruck hinterlassen möchte ich trotzdem gerne ;)
Heute ist Halbzeit. Ich bin schon 34 Tage hier und 34 werde ich auch noch bleiben. Passend dazu habe ich heute folgenden Spruch entdeckt:
Today is the oldest you have ever been and the youngest you will ever be again.
Bin total fasziniert davon, denn so habe ich das noch nie gesehen und es stimmt wohl oder übel.
Welcher Tag wäre also geeigneter, eine Zwischenbilanz zu ziehen, als der Halbzeittag?
Ich kenne mich hier mittlerweile aus, das Leben hat eine, wenn es die hier gibt, Routine angenommen und ich bin, würde ich sagen, gut hier integriert. Ich verbringe viel Zeit mit Magui und deren Freunden, die ich sehr gerne mag, und ich habe auch schon selbst Freunde kennegelernt, die mich nach ihren ständigen Einladungen zu schließen, auch sehr schätzen. Mit meiner Familie komme ich sehr gut klar, die Schule ist im Unterricht langweilig, aber ausgeschlossen werde ich nie und wurde ich auch nie.
Als nächstes will ich mit Vorurteilen aufräumen oder sie eher klären;)
1. Die Unpünktlichkeit
Die ersten beiden Wochen habe ich dieses Vorurteil für völligen Schwachsinn gehalten, denn Unpünktlichkeit bedeutete für mich, unangenehm in ein bereits stattfindendes Treffen zu platzen oder deswegen eine Bemerkung zu bekommen und ähnliches. Mittlerweile weiß ich, dass 16:00 einfach nicht 16:00 heißt, auch nicht "macht euch um 16:00 auf den Weg" sondern "um circa 17:00 könnt ihr aufstehen und euch fertig machen und euch dann auf den Weg machen". So kamen wir zu besagter Verabredung um 16:00 erst um 18:30 und ich mache mittlerweile auch nicht mehr den Fehler, mich um 15:45 fertig zu machen.
In diesem Sinne sind die Argentinier also eigentlich nicht unpünktlich, sie leben nur mit komischen Zeitangaben. Es ist also so, als würden sie zuerst die ausgemachte Zeit in "ihre" Zeitzone umrechnen. Denn "zu spät gekommen" sind wir noch nie.
Und zu solchen Dingen wie mich am Flughafen abzuholen, waren sie anscheindend sogar zweieinhalb Stunden zu früh da.
2. Unordentlichkeit
Auch hier kann ich für meine Verhältnisse zustimmen, aber selbst in Deutschland hat ja auch eher verschiedene Ordnungsansichten. Das beste Beispiel sind zum Beispiel schon mal meine Mama und Ich ;)
3. Das Autofahren (ist lebensgefährlich)
Ein Satz, der mich die ersten Tage hier während ich mich an den Rücksitzgriff gekrallt habe, ständig durch den Kopf schwirrte. Ich konnte feststellen, dass die Frauen aber wesentlich gefährlicher Auto fahren als die Männer! Bei den Frauen könnte man die Gedanken während des Fahrens circa so beschreiben: "Ich will, dass du JETZT schnell fährst und habe keine Lust, das Tempo erst langsam zu steigern! Und jetzt will ich bremsen und zwar SOFORT!" Es sind einfach die ruckartigen Bewegungen, die das Autofahren für mich so verstörend darstellen.
Letztendlich läßt sich sagen, dass die Vorurteile aus deutscher Sicht wohl alle teils stimmen, aber das nur daran liegt, dass es zwei komplett verschiedene Kulturen sind. Und man gewöhnt sich wirklich daran, denn die Pluspunkte machen das wieder wett:
+ Die Freundlichkeit: Sogar der Postbote begrüßt einen mit einem Küsschen auf die Backe! Erst mal komisch, aber dann total süß und familiär!
+ Der ständige Hunger: Es ist wie eine Zeitbombe, man kann förmlich auf das erste "Ich hab Hunger" warten! Find ich schon cool und vor allem das Essen ist echt mega lecker, nur man kann nichts länger als eine Stunde gestört von einem kleinen Snack unternehmen!
+ wäre auch schon der nächste Punkt: Das Essen :) Besonders das Fleisch! Aber auch Churros und der Alfajor haben es mir absolut angetan! Wenn mich jemand fragt, wie deutsches Essen ist, ziehe ich pantomimisch immer zwei Striche auf dem Tisch, sage, dass sie süß und sauer nach den Verhältnissen hier darstellen sollen, deute auf die Mitte dazwischen und sage "Deutschland". Denn genau so ist es. Nicht so extrem süß und salzig.
Es gibt hier außerdem sehr, sehr viele Kartoffeln, aber wirklich so vielfältig, dass ich auch schon überlegt habe, ob das WIRKLICH Kartoffel ist, was ich da esse. Soll noch einer sagen, Deutschland das Kartoffelland. Die Menschen, denen ich morgen die PowerPoint vorstelle, würden sich schlapp lachen!
Letzter Punkt, kurze Stellungnahme meinerseits zum Thema Schuluniform:
Ich bin hiermit offiziell ein Verfechter der schuluniform-freien Schulen!
Zuallererst weil mir die Schuluniformen vom Tragegefühl nicht gefallen. Ja, es ist spannend, das mal eine Woche anzuziehen, aber mich würde als Mädchen jeden Tag dieser Rock schon sehr aufregen.
Jeden Tag den Rock zurecht zupfen, schauen, dass die Hose, die man zusätzlich drunter tragen muss nicht alles zu sehr aufbauscht und auch die Strumpfhose braucht besondere Beachtung, da man sich sehr leicht an den Stühlen und Tischen Laufmaschen holen kann! (Versteht das nicht falsch, ich trage sehr gerne Kleider und Röcke, aber Schuluniformrock ist nichts für mich ;))
Mein nächstes Argument widmet sich dann eher den Jungs: Die dürfen nämlich Jeans anziehen und auch auf deren Pullis muss nicht das Emblem der Schule gestickt sein. Es reicht, wenn die Oberteile schwarz, weiß oder dunkelblau sind. Finde ich ja schon etwas unfair.
Den wichtigsten Grund, Schuluniform zu tragen, ist doch, die Gleichheit zu unterstützen und keine vorschnellen Urteile zu fällen, beziehungsweise auch Mobbing zu vermeiden.
Ich finde, dass ist trotzdem dem guten Versuch mit Schulkleidung schief gegangen. Die Mädchen sind über und über mit Schmuck behängt, durch den man auch durchaus Stilbewusstsein ausdrücken kann, und auch durch Make up, Haare und so weiter kann man sich einfach von den anderen abheben.
Geschmäcker gibt es sowieso unendlich viele und irgendwie finden sich Wege, diese zu zeigen, weswegen ich denke, dass Schuluniform zwar ursprünglich keine schlechte Idee ist, aber einfach umgangen werden kann.
Vielleicht hätten die Jugendlichen auch nicht das Bedürfnis in ihrer Freizeit dann in das andere Kleidungsextrem umzuschlagen (Ich möchte das nicht anders formulieren).
Ich denke, dass es vielleicht so ist, wie wenn man einem Kind etwas verbietet - dadurch wird dies doch nur noch interessanter und das Verbot würde zu gerne gebrochen werden. Vielleicht ist das auch so mit der Schulkleidung und alles, was in der Schule nicht gezeigt werden kann, wird eben in der Freizeit doppelt so heftig ausgelebt.
Ich will mich unter keinen Umständen von den Leuten hier abheben, ich mag sie sehr gerne und bin froh darüber, sie kennen gelernt zu haben, ich möchte hier nur mit interessierten Menschen meine Meinung teilen.
Liebe Grüße und bis zum nächsten Mal, wenn wir schon richtig in der zweiten Häfte sind,
Lauri
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